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hinweis

Bis zur letzten Mulde

Bevor Sie beginnen, wild um sich zu räumen, sind einige ernsthafte Gedanken angebracht:

Unterschätzen Sie den Aufwand nicht: Ein während 30 Jahren bewohntes 7-Zimmer-Haus enthält ca. 15 bis 20 m3 Mobilien, die es in geeigneter Art zu verteilen gilt. Dazu sind ca. 50 Personenstunden erforderlich. Der Miteinbezug von Familienmitgliedern ist sehr zu empfehlen. Ein Zeitplan, der allen zeigt, wann besichtigt, abgeholt, mitgeholfen wird, tut gute Dienste, ebenso eine Liste, die zeigt, wer was zu sich nach Hause genommen hat.

Brauchbares verhält sich zum Abfall etwa wie 1:10. Sie werden mindestens 3 – 4, bei grosser Aktivität der einstigen Bewohner auch doppelt so viele 5 m3-Baumulden füllen. Je nach Entsorgungstarifen erweist sich eine zusätzliche Kleinmulde für Metall als wirtschaftlich.

Machiavelli empfiehlt, die grössten Grausamkeiten an den Anfang zu stellen. Folgen Sie hier seinem Rat nicht. Bedenken Sie, dass sich im Laufe der Aktion auch Ihr Wertsystem ändert. Diesen Umstand gilt es zu nutzen. Gehen Sie erst durch die Räume und werfen Sie weg, was die Bewohner zurückgelassen haben und was nur für sie wichtig war: Firlefanz, Kinderzeichnungen und -photos, Ansichtskarten etc. etc.

Erklären Sie einen Raum zum Büro. Küche, WC und Büro werden zuletzt geräumt. Ins Büro gehört, was unter keinen Umständen verschwinden darf: Schlüssel, Familienbüchlein, Niederlassungsbewilligung, Todesurkunde, Telefonbuch, Passwörter, Adressen, Versicherungspolicen, WC-Papier, Steuererklärung, Erfrischungen, Putzmittel, Kehrichtsäcke, Zange, Schraubenzieher, Spachtel, Japanmesser, Lösungsmittel, Arbeitskleidung, Sanitätsmaterial, Raritäten.

Dann räumen Sie den Estrich: vollständig und ohne pralle Sonne. Zwei Drittel der Mobilien werden in der Mulde enden, auch wenn sie einst mit Liebe verpackt worden sind und einige Umzüge hinter sich haben. Den Rest lagern Sie z.B. in der Garage.

Jetzt hat sich ihre Reizschwelle schon soweit angehoben, dass Sie den Keller in Angriff nehmen können. Es fällt Ihnen nun viel leichter, Überflüssiges in die Mulde zu werfen. Bringen Sie alle brauchbaren Gegenstände ins Wohngeschoss und beginnen Sie mit dem Putzen des Kellers – natürlich nur Räume, die nicht umgebaut werden.

Wenn Sie den Anweisungen gefolgt sind, müsste das Wohngeschoss nun überstellt sein. Es lockt die Mulde – geben Sie nach.

Jetzt kommt der Garagenverkauf. Eröffnen Sie am Samstag, damit auch Arbeitstätige davon profitieren können. Die Preise setzen Sie fest z.B. mit –.50/kg, womit Sie jedeN SchnäppchenjägerIn mobilisieren. Nach dieser Erfahrung sollten Sie gelernt haben, mit vollen Händen zu spenden. Unerbittlich arbeiten Sie sich mit dieser Haltung von Zimmer zu Zimmer, stellen Restbestände zwischen Schulschluss und Dämmerungseinbruch aufs Trottoir, am Morgen danach gedenken Sie jeweils der Mulde – der Erfolg wird nicht ausbleiben.

Einmal werden Sie sich erschreckend freuen und glauben, dass das Haus geräumt ist. Dann ist die Zeit für die letzte Mulde gekommen. Und auch sie wird voll werden.

(Ernstzunehmende Hinweise aufgrund eigener Erfahrungen, 2006)

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